10. August 2013

Im Bann der Walliser Viertausender


Matterhorn, Pointe Zinal, Dent Blanche und Grand Cornier

Auf Höhenwegen durch das Val d'Anniviers
(Tour d'Anniviers)

Das Rhonetal, die Lebensader des Wallis mit der Kantonshauptstadt Sion, beeindruckt durch seine Weite. Es ist flach, im Sommer sehr heiß und industrialisiert. Nach Süden und Norden erstrecken sich 33 Seitentäler, bis zu 40 km lang, eng, steil, kühl und ursprünglich. Unser Ziel ist das Val d’Anniviers, das östlich von Sierre in südliche Richtung aufsteigt.


Rhonetal mit Chalais und der Kantonshauptstadt Sion

Lange Zeit bedeutete das Vordringen in dieses wilde Tal ein tollkühnes und gefährliches Unternehmen, erst 1613 wurde die Pontis-Schlucht durch aufgehängte Holzgalerien entschärft, deren Begehung mit Maultieren jedoch immer noch sehr abenteuerlich war.


Pontis-Schlucht

1840 baute man den ersten Fahrweg, die heutige, gut ausgebaute Straße überquert die gewaltige Schlucht der wilden Navizence in kühn angelegten Brücken und Tunnels und erreicht nach 15 Kilometern Vissoie, den Hauptort des Tales. Die Eckpfeiler des sehenswerten Dorfplatzes bilden der mächtige Wehrturm der Bischöfe von Sitten aus dem 13. Jh. und der 1745 erbaute Glockenturm der Pfarrkirche.


Kirche von Vissoie

Nun weitet sich das Tal, geradeaus führt die Straße in gleichmäßiger Steigung dem Hang entlang über Mission nach Ayer, und von hier nach Zinal, dem letzten Ort des Tales. Die Entfernung von Sierre bis Zinal beträgt rund 20 km Luftlinie, von hier bis zur Schweizer Landesgrenze ist es aber noch einmal annähernd so weit. Zinalrothorn, Obergabelhorn und Dent Blanche bilden eine gewaltige Schranke, die Übergänge ins Mattertal führen in Höhen über 3500 Meter.


Obergabelhorn, Matterhorn, Pointe Zinal, Dent Blanche und Grand Cornier

Taleinwärts kommen wir von Vissoie nach Mission, abseits der Hauptstraße lohnt die kleine Dorfkirche einen Abstecher.


Kirche von Mission mit Sex de Marenda

Von hier ist es nicht weit nach Ayer, vom Tourismus nahezu unberührt. Malerisch steht die Dorfkirche vor dem Kessel von Zinal.


Dorfkirche von Ayer vor dem Kessel von Zinal (Zinalrothorn und Besso)

An der Südseite der Kirche liegt der Münchner Bergsteiger Georg Winkler begraben, einer der fähigsten Felskletterer seiner Zeit. Erst 19-jährig, stürzte Georg Winkler am 17. August 1888 bei einer Alleindurchsteigung der Weißhorn-Westwand ab. Bis zum Sommer 1956 ruhte er im Eis des Weißhorngletschers, dann fanden Bergführer aus Zinal seine Leiche und bestatteten ihn in Ayer. 10 Jahre lang kümmerte sich niemand um das Grab, erst im Sommer 1976 erinnerte sich die Alpenverein-Sektion München ihres berühmten Sohnes, ließ das Grab frisch herrichten und eine Gedenktafel anbringen.



Die Straße führt nun bergan nach Zinal, ursprünglich als letzter Weiler im Tal nur eine Maiensäß. Viermal im Jahr kamen die Unterwalliser Bergnomaden, die Anniviards, hierher: im Mai vor dem Bestoßen der höher gelegenen Bergwiesen, im Hochsommer zum Heuen, im Herbst zum Viehabtrieb und noch einmal im Hochwinter, um das verbliebene Heu an die Tiere zu verfüttern. Als im 19. Jhdt. aber immer mehr Bergsteiger, darunter viele Engländer, ins hochgelegene Bergtal fanden, wurde die erste Herberge gebaut. 1859 gab es das erste kleine Gasthaus. Kurz nach der Jahrhundertwende baute man größere Hotels, Zinal wurde ein berühmter Höhenkurort. Der Erste Weltkrieg setzte dem vielversprechenden Aufschwung ein abruptes Ende, die Touristen blieben aus. 1957 brachte die Straßenanbindung im Zuge des Baus des Moiry-Staudammes die entscheidende Wende. Der Tourismus verwandelte das sterbende Dorf in eine kleine blühende Gemeinde, Ausgangspunkt für viele Hochtouren zu den Viertausendern, von denen allerdings von Zinal aus kein einziger zu sehen ist.


Blick vom Dorfende von Zinal nach Süden zum Besso

Im Bann der höchsten Walliser Berge wollen wir auf Höhenwegen beiderseits des Tales jeweils vom Rhonetal bis zu den Gletschern der Viertausender wandern, dabei auch lohnenswerte Passübergänge ersteigen, hochgelegene Berghütten besuchen und einige leichte Gipfel klimmen.


Blick von der Bergkirche Raron (Rainer Maria Rilkes Grabstätte) zum Gorwetschgrat und Illgraben

Hoch über dem Val d’Anniviers liegt Chandolin, die höchstgelegene, ganzjährig bewohnte Gemeinde der Schweiz. Ein leichte Wanderung führt fast eben zu den Häusern von Pramarin und weiter zum Gorwetschgrat. Ein kurzer und sehr steiler Pfad bringt uns an den Rand des gewaltigen, vegetationslosen Illgrabens, einem Relikt aus den Eiszeiten, dem größten Erosionsgraben Europas. Die Erosion riesiger Mengen von Geröll und Erde haben dieses Grabensystem geschaffen.


Blick vom Gorwetschgrat in den Illgraben

Den felsigen Doppelgipfel des Illhorns hatten wir schon vom Gorwetschgrat aus bewundert, deshalb wollen wir uns die vielgerühmte Aussicht nicht entgehen lassen. Der Sessellift erspart uns gut 600 Höhenmeter Aufstieg, so dass wir nach einer guten Stunde das neue Gipfelkreuz des Illhorns auf 2716 Meter Höhe erreichen.


Illhorn-Gipfel

Wahrlich atemberaubend ist die Ausgesetztheit nach Norden, nicht minder der grandiose Tiefblick in den Illgraben.


Blick über den Illgraben ins Rhonetal

Über dem Rhonetal geht der Blick zum Jungfraumassiv in den Berner Alpen, zum Bietschhorn und zum Nesthorn.



Im Westen zeigt sich das gesamte Montblancmassiv.



Nach Süden schweift unser Auge zu dem Gipfelkranz, dem wir im weiteren Verlauf unserer Tour entgegenwandern wollen, den Viertausendern über Zinal und Moiry.


Besso, Obergabelhorn, Matterhorn, Pointe Zinal, Dent Blanche und Grand Cornier



Bishorn und Weißhorn, ganz rechts Les Diablon

Noch einmal bringt uns der Sessellift von Chandolin zur Alpage de Chandolin. Ein kurzer Abstecher zum Lac Noir gibt den Blick frei zum Illsee und zu den Berner Alpen.



Dann wandern wir auf einem neu angelegten, aussichtsreichen Höhenweg mitten durch prächtige Weidenröschen-Felder um den Felsgürtel von Rothorn und Bella Tola herum zur Cabane Bella Tola.



Fasziniert zunächst die Weite des tief unter uns liegenden Rhonetals, öffnet sich urplötzlich nach Süden ein erster, umfassender Blick auf die Gipfelparade der Walliser Viertausender. Noch ein kurzer Aufstieg, und wir erreichen die Bella Tola-Hütte, wegen ihres beeindruckenden Panoramas und des nur halbstündigen Anstiegs von der Bergstation der Tignousa-Bahn gerne besucht.



Die Bella-Tola-Hütte ist auch Ausgangspunkt für den schönsten und häufig besuchten Aussichtsberg des Wallis, die 3025 m hohe Bella Tola. Wir wollen den Berg aber nicht über die zahlreichen Kehren der Südflanke angehen, wir steigen vielmehr zunächst zum Pas de Boeuf und von dort hinauf zum Gipfel. Einige Zeit begleiten uns noch im Rückblick Les Diablerets und Wildhorn in den Berner Alpen, dann aber taucht über dem Meidpass das Weisshorn mit dem vorgelagerten Bishorn auf.



Weiter oben öffnet sich der Blick nach Osten zu Weissmies, Nadelhorn, Täschhorn und in der Mitte zum Dom mit seiner Nordflanke, über die der lange Normalaufstieg führt.



Von Zinal führen eine Reihe lohnenswerter Halbtagestouren - zumeist steil - auf hochgelegene Alphütten, die einen unmittelbaren Einblick in den nahen Kranz der Viertausender ermöglichen.


Blick von Arollaz zu Pointe Zinal, Dent Blanche (Gipfel in Wolken) und Grand Cornier


Blick von Biolec zum Zinalrothorn

Ein großartiger Höhenweg zieht von der Sorebois-Bergstation ohne nennenswerte Steigungen zur Alp de la Lé. Diese Route ist jedoch in den letzten Jahren sehr steinschlaggefährdet und daher häufig gesperrt.



Wir sind mit der ersten Seilbahn nach Sorebois hinaufgefahren und genießen die Morgenstimmung dieses frühherbstlichen Tages. Hoch über Zinal führt der Höhenweg einen steilen, abschüssigen Hang entlang, Gletscher und Berge rücken ständig näher. Von der Großen Mountet-Hütte zieht ein messerscharfer Firngrat zum Gipfel des Obergabelhorn.



Matterhorn und Pointe Zinal schließlich bilden den krönenden Talabschluß.



Nun geht es in vielen Kehren hinunter zur im Jahr 2001 abgebrannten, aber inzwischen neu errichteteten Cabane Petit Mountet und entlang der rauschenden Navisence zurück zum Ausgangspunkt.



Zinal ist auch Talort für drei hochgelegene Berghütten, die nur in vielstündigem Anstieg zu erreichen sind, wie z. B. die Cabane d’Arpitettaz. Nach zwei Stunden steilen Anstiegs kommen wir unvermittelt zu einem kleinen See, dem Lac d’Arpitettaz.


Blick vom Lac d'Arpitettaz zum Moming-Gletscher und Zinalrothorn

Weitere 550 Meter höher liegt, unterhalb von Weißhorn-Westwand und Weißhorngletscher, die Cabane d’Arpitettaz. Die erste Hütte, erbaut von der Sektion Dole des Schweizer Alpenclubs, wurde inzwischen erweitert, geblieben aber sind Ruhe und Einsamkeit sowie die atemberaubende Nähe der frisch verschneiten Berge.


Zinalrothorn und Besso am frühen Vormittag


Weißhorn-Westwand in der Abendsonne

Zwischen Weißhorn und Les Diableres liegt die höchstgelegene Hütte im Val d’Annivers, die Cabane de Tracuit auf 3256 Meter. Die Gedanken gehen 20 Jahre zurück, als wir zur gleichen Jahreszeit zum erstenmal die 1600 Höhenmeter bewältigt haben, von Zinal über die Tracuit-Alpe zur Hochfläche von Combautanna und durch den Südhang der Diablons zum Col de Tracuit. Die Hütte - am oberen Rand des Turtmanngletschers gelegen - ist erst im letzten Moment zu sehen, umsomehr überwältigt die Unermesslichkeit des Hüttenpanorames, 32 Viertausender hat unser Bergführer damals namentlich identifiziert.



Wir sind wieder zum Talbeginn zurückgekehrt und wollen nun die Höhenwege, Pässe und Gipfel auf der westlichen Talseite angehen. Ausgangspunkt hierfür ist Vercorin, hoch über dem Rhonetal in einer aussichtsreichen, sonnigen Mulde gelegen.Von Sierre führt eine gut ausgebaute Straße knappe 800 Höhenmeter hinauf nach Vercorin. Sehenswert ist die renovierte alte Kirche mit Ausgrabungen, Fresken und Gemälden aus verschiedenen Kunstepochen.


Kirche von Vercorin gegen Westen (Rhonetal)





Grimentz gilt als das schönste Bergdorf der Schweiz. Und tatsächlich gibt es kein anderes Dorf im Wallis, das durch und durch in seiner alten Bausubstanz so einheitlich und gut intakt ist und so liebevoll gepflegt wird. Behäbig sonnen sich die schönen alten Häuser am Felshang, dazwischen ihr Mittelpunkt: die weiße Kirche mit dem obligaten Schindeldach. Vor den Fenstern, in Ecken, Winkeln und Türen der sonnenverbrannten Häuser leuchten Kaskaden purpurroter Geranien. Es scheint, als müssten sie den Charme des Bergdorfes noch unterstreichen.







Vercorin und Grimentz verbindet eine Fahrstraße. Auch der Postbus verkehrt auf dieser Strecke. Auf halbem Weg etwa liegt der kleine Ort Pinsec. Es lohnt sich, hier einen kurzen Halt zu machen, durch die Gassen zu schlendern und - für einen Augenblick - längst vergangenen Zeiten nach zu träumen.


Kirchturm von Pinsec mit Zinalrothorn

Am frühen Morgen, wenn der breite Bergkamm vom Sorebois zum Garde de Bordon noch lange Schatten über den See wirft, ist der Lac de Moiry eine Oase der Stille, er gehört allein den zahlreichen Fischern auf der Staumauer und am östlichen Ufer.



Nicht nur im Frühsommer, auch im Übergang zum Herbst finden wir immer noch einen herrlichen bunten Alpenteppich vor. Während nämlich unten im Tal zunächst die Frühlings- und danach die Sommerblumen blühen, vollzieht sich in den Höhenlagen die Blüte von beiden zur gleichen Zeit. Das kieselhaltige Gestein von Gneis, Granit, Serpentin und Glimmer enthält die für alle Bergblumen unentbehrliche saure Erde.


Rhododendron


Paradieslilie


Blauer Eisenhut


Stengelloser Enzian (Glockenenzian)


Alpen-Hauswurz


Edelweiß



Vom südlichen Seeufer steigen wir zur Alpage de Torrent auf, von hier führt ein sehr lohnender Paßübergang über den Lac des Autannes zum Col de Torrent und weiter ins Val d’Hérens. Nur eine gute Stunde erfordert der Abstecher zum Col de Torrent, der malerische Lac des Autannes ist ein beliebtes Fotomotiv.



Lac des Autannes gegen Zinalrothorn, Obergabelhorn, Grand Cornier und Dent Blanche

Unser Höhenweg verläßt nun die Alpweiden und führt in rauheres Gelände. Ein kurzer felsiger und dratseilgesicherter Anstieg führt zu einem überraschenden Durchschlupf, von einem großen Steinmann öffnet sich ein herrlicher Rückblick auf die gesamte Fläche des Stausees.



Gleichzeitig läßt sich auch der Weiterweg zum Moirygletscher gut einsehen.



Die Seitenmoräne rechterhand des Gletschers bietet uns einen kleinen Konditionstest, zieht sie doch sehr steil und steinig nach oben, vor allem aber gewährt sie an ihrem oberen Ende den hautnahen Kontakt mit dem ewigen Eis. Auf dem gegenüberliegenden Hang erkennen wir die Cabane de Moiry, eine vielbesuchte und bestens bewirtschaftete Unterkunft des Schweizer Alpenclubs in atemberaubender Umgebung, von hier weglos über den Gletscher oder aber in weniger als zwei Stunden auf einem guten Steig vom Ende des Stausees erreichbar.



Nun heißt es Abschied nehmen von den erlebnisreichen Tagen im Bann der Viertausender rund um das Val d’Anniviers. Wir würden uns freuen, wenn auch andere Bergfreunde aufgrund dieses Beitrags einen ersten kleinen Eindruck dieser wunderschönen Gebirgsgegend bekommen haben und Lust verspüren, das Tal mit seinen Ortschaften, Höhenwegen, Berghütten und Gipfeln kennen zu lernen.




UNSER TIPP!



Inhalt

Kapitel 1 Val d’Anniviers
Kapitel 2
Pfynwald - Illgraben - Gorwetschgrat - Illhorn
Kapitel 3
Lac Noir - Cabane Bella Tola
Kapitel 4
St-Luc - Hotel Weißhorn - Zinal - Sorebois - Petit Mountet
Kapitel 5
Cabane d’Arpitetta - Roc de la Vache - Cabane Tracuit
Kapitel 6
Vercorin - Crêt du Midi - Roc d’Orzival - Grimentz
Kapitel 7
Becs de Bosson - Lona - Sex de Marinda - Moiry
Kapitel 8
Col de Torrent - Chemin 2500 - Cabane de Moiry

Im Bann der Walliser Alpen - Auf Höhenwegen durch das Val d’Anniviers
DVD, 51 Minuten, deutsch,
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